Das, was IST (3)

Welten Wandler schreibt:

Wieder einmal Zeit für eine Bekenntnis:

Ich bin vollkommen ahnungslos. Noch nicht mal klar. Die einzige Klarheit, die ich momentan besitze, ist die völlige Klarheit darüber, dass ich völlig im Unklaren bin. Null Ahnung hab. Und völlig in Frieden damit bin.

Soviel Gnade. Soviel Mysterium. Wann kamen wir nur auf die abstruse Idee, dies alles kontrollieren und erklären zu müssen? Wann haben wir vergessen, wie die Kinder zu sein, die einfach SIND? Ich glaube, als wir dereinst die Frucht vom Baum der Erkenntnis aßen.

Mit scheinbarer Kenntnis kommt die Angst. Denn alles, was hinter dem «Ich BIN» steht, alles, was ich hinter «Es IST» setze, kann und wird vergehen. Und alles, was hinter «Ich BIN» steht, alles, was ich hinter «Es IST» setze, hat Angst: Angst vor dem Unbekannten, vor dem großen Mysterium LEBEN, das es niemals enträtseln wird.

Angst davor, einen Fehler zu begehen, falsch zu liegen. Angst vor der dämmernden Erkenntnis, dass wir nur einen Wimpernschlag hier sind, um uns alsbald wieder formlos mit dem Ewigen zu vereinen.

Dass all dies jeden Augenblick vorüber sein kann. Dass wir alles und jeden jederzeit verlieren können.

Versicherungen, Bausparverträge, künstliche und zwanghafte Erhöhung unserer eigenen Person durch erhaben klingende Namen und Geschichten, fancy [extravagante] Lifestyles und Papierscheine sollen uns in Sicherheit wiegen, uns ein Gefühl von Bedeutung verleihen, um diese beständige innere Angst zu übertünchen: die Furcht davor, eigentlich nichts zu wissen, keinerlei Kontrolle zu haben und dem Leben hilflos ausgeliefert zu sein.

Wir kommen, wir gehen. Seit Tausenden von Jahren. Wie die Blätter an einem Baum. Und doch müht sich ein jedes Blatt – oft verzweifelt – ab, «es zu etwas zu bringen», herauszufinden, wer es denn nun eigentlich ist und Bedeutung zu erlangen. Denn was könnte es Schlimmeres geben, als vollkommen bedeutungslos zu sein? Der Alptraum eines jeden Ichs. Glänzen wollen wir, strahlen und funkeln und unsere Existenz bezeugen – in den leuchtendsten Farben. Dabei ist Leben so oft auch dunkel, düster, verborgen und – scheinbar – unbedeutend. Und auch die «Priesterin der Sonne», der «Krieger des Lichts»und die «Göttin des goldenen Strahls» sind nicht davor gefeit, leise und schlicht zu der Erde und dem Staub zu zerfallen, aus dem sie einst entstanden.

Erstaunlicherweise scheint es sich so zu verhalten, dass, wenn wir unseren Frieden machen mit dem Leben, wie immer es sich gerade zeigt – ob wir es nun gut heißen können oder nicht –, dass, wenn wir den Mut finden, uns einzugestehen, dass wir in Wahrheit überhaupt nichts wissen und der beängstigenden Tatsache ins Auge blicken, dass unser Erden-Dasein in jedem Augenblick vorüber sein kann – wir genau jene Bedeutung, jene endlose Kostbarkeit finden, die wir stets verzweifelt im Außen gesucht haben: genau HIER. Wir finden das Fundament unserer gesamten Existenz, finden jenes «Ich BIN» und «Es IST», das alles verbindet, ewiglich und unvergänglich ist und alles vereint. Und dort endet es: die Suche nach dem Traumpartner, das Streben nach was auch immer, die nicht enden wollende Transformiererei, die «Schattenarbeit», den Aufstieg in wer weiß welche Gefilde.

Du BIST. Hierin liegt so endlos viel Bedeutung, soviel endlose Kostbarkeit. In deiner bloßen Existenz. Hier und jetzt.

Ohne jene Verbindung zu unserem Urgrund verbringen wir unser Leben in andauernder Furcht vor dem Nichtwissen, vor dem Unbekannten und der Bedeutungslosigkeit und sind rund um die Uhr damit beschäftigt, diesen Schrecken abzuwehren und ihn uns vom Leibe zu halten. Und sehen nicht, was uns längst gegeben ist.

In der mutigen Begegnung mit unseren Ängsten, im Erkennen unserer Abwertung dessen, was uns in unserer Dunkelheit stets aufs Neue auflauert – Kleinheit, Bedeutungslosigkeit, Hass, Lebensunlust, Düsternis, Unfrieden etc. – und unserer Gier nach einem Urteil darüber, wie «es» sein sollte, liegt, unantastbar und immer direkt vor uns, unsere Freiheit.

Im Eingeständnis, tatsächlich nicht zu wissen, wie es sein sollte, können wir Frieden schließen mit dem, was IST. Hören auf, überheblich zu sein und uns ständig zu überheben. Und uns die Erlaubnis geben, alles zu sein. Was uns über alles hinweg hebt: zu strahlen und zu funkeln und unser Leben in leuchtenden Farben zu malen. Und dunkel, still und lichtlos in fruchtbarer, schwarzer Erde zu verharren, um geduldig erneut einer von unzähligen Neugeburten beizuwohnen, durch die einmal mehr neuer Raum entsteht, in dem – endlich – sein darf, was vorher noch nicht sein konnte.

Unsere ganze Existenz: eine endlose Abfolge von Geburten und Toden. Unser aller wahre Bestrebung: so weit zu werden, das wir diesem Prozess nicht mehr im Wege stehen. Raum sein für das, was durch unsere Existenz in diese Welt geboren werden will. Jenes liebevoll verabschieden, dessen Zeit gekommen ist. Das Wiederfinden jener Weite, in der alles – wirklich alles – seinen Platz findet. Liebe genannt.

 

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