Das Wunder geschieht (Haiku)

Diese Haiku sind im Herbst 2006 im Chiemgau und bei Ausflügen in die Südostbayrischen und Tiroler Alpen entstanden. Die Meisten sind Momentaufnahmen meines damaligen «inneren Erlebens» in der Natur, wobei jedes in der klassischen Haiku-Struktur von 5-7-5 Silben verfasst wurde.

Im August (abstrakt):

Muschel öffnet sich—
Erfüllung des Ozeans,
leuchtende Perle

An einem wundersamen Sonntagabend
an idyllischem See, 3. September:

Sonnige Wipfel
in der Abenddämmerung—
das Wunder geschieht

Die Tannen bluten
tief in den Himmel hinein—
im Herzen Gottes

Rotbunter Lichtstrahl—
gigantisches Schauspiel in
endlosem Staunen

Zwei Menschen am Steg
in der Spiegelung des Sees,
umgeben vom Glück

Silbernes Leuchten—
das wolkengraue Gewölbe
vom Mond so erfüllt

Der Schwarm der Vögel
durchquert unbekümmert des
Himmels weite See

Zikaden singen
und das Land liegt im Schweigen:
Mondscheinmelodie

Klagende Rufe
durchdringen finstere Nacht:
Eule ohne Ast

Der Bergsee flüstert
sein stilles Abendgebet—
Füllhorn der Gnade

Risse im Schleier
der dichten Wolkendecke—
und Sternenregen

Die ersten 3 sind an idyllischem See, die nächsten 2 bei
einem abendlichen Spaziergang und das Letzte, Abstrakte
ist bei der Rückkehr nach Hause entstanden, 6. September:

Schnaufender Drache
über unseren Köpfen—
ein Heißluftballon

Fledermaus gleitet
über den Wasserspiegel,
gefolgt vom Schatten

Nächtliche Stimmen
am anderen Waldufer—
zwei Wiesel im Busch

Dunst überm Maisfeld—
im Leuchten des Vollmondes
wird alles sichtbar

Im großen Wagen
auf diamantenem Weg—
das Zentralgestirn

Der silberne Mond
im Augapfel der Katze—
Einklang der Welten

Bei einer Wanderung hinauf zum Taubensee, 12. September:

Steiniger Bergpfad
mit Schweiß und Tränen gesäumt;
das schneeweiße Tal

Sprießende Blumen
im eisigen Regenguss—
der Blüte so nah

Silbernes Funkeln
tanzt mondgleich über den See—
Spiegel der Sonne

Weißer Dunst breitet
sich über die Berglandschaft—
Bettdecke der Nacht

18. September:

Herbstliche Stille
webt sich tief in mein Gewand
und färbt es so neu

22. September:

Purpurne Sonne
über den Alpengipfeln;
Kuhglockenkonzert

Beim Abstieg von der Kampenwand, 17. Oktober:

Ein Pfad im Nebel—
verzaubert vom reinen Gold
all der Herbstblätter

Schmaler Gebirgspfad—
so reich an Empfindungen,
fließend wie ein Bach

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